DZL-16 TROMPETER
Ich sah ihn zum ersten Mal im Hegelhof.
Vielleicht hatte Hegel keine Trompete, auch
keinen Hof, der Mann hatte keine Hegeltrompete.
Kehle und Unterleib erfüllt aber Trompeter
in seiner spontan inszenierten competition
mit seinen Doppelgängern. Die vielen jungen Männer,
wie sie so enggedrängt und äußerst aufmerksam
zur Tür hin schauen, auch auf den Kreis
in der Mitte, wo nur Trompeter steht,
alle andern, auch der mögliche Schlagzeuger,
stumm und ganz Ohr. Es gibt nur Trompeterton,
der sie alle trifft, das Kommando
zum Lauschen und Sitzenbleiben, eine zutiefst
befriedigende, noch unsichtbare Lähmung.
Trompeter scheut wie so oft das Licht,
berührt den Sampler mit seinen nackten Zehen,
wird nicht frieren. Er beugt sich nach rechts
und nach links; in gewissen Abständen tropft dann
Speichel ab, für die meisten nicht wahrnehmbar.
Trompeter streckt die Trompete dem Mikro entgegen,
dreht sie nach oben, über den Kopf hinweg,
das alles beinahe in völliger Dunkelheit,
als wär die unbemerkt von der Decke herabgesunken.
Trompeter ist eine Weile nur Nachbild,
während das Raue, der Stoß, die Stoßfolge
durch den Sampler vorbereitet wird auf viel sanftere
Weise als beim noch unbegleiteten Stück.
Nur kurz ist Trompeter allein mit seinem Instrument.
Danach tritt die Trompete vielfältig
aus allen Lautsprechern hervor, als wär sie
eine fremde, aus der Ferne herbeigeholt.
Trompeter gibt sich am Ende die Gelegenheit,
seiner Trompeterstimme zu antworten, mit einem Dauerton,
zu dem er sich Luft holt aus beiden Backen,
während ganz von allein die Nase weiteratmet
(2014)
(Erschienen in: Der zarte Leib, Edition Korrespondenzen, 2015)
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